.... sie lebten unter uns ....

Spuren des jüdischen Teils der Familie Renner aus Oederquart weisen viele Parallelen mit den Schicksalen der Juden in Deutschland auf:

Frühzeitige Einwanderung, Einschränkung der Religions- und Berufsausübung (Berufsverbote), kurze Zeitspannen der "Normalisierung" der Lebensverhältnisse – und dann: Deportation und Ermordung in den Vernichtungslagern im Deutschen Reich des 20. Jahrhunderts.

Der Jude Abraham Renner (1785-1837) wanderte Ende des 18. Jahrhunderts aus Böhmen nach Deutschland ein und wurde in Oederquart sesshaft, heiratete im Jahr 1813 die Jüdin Röschen Elias (1783-1843) aus Glückstadt und zog mit ihr fünf Kinder groß: Ester (1814-1895), Elias (1816-1905), Liebe (1819-1911), Hein (1823-1881) und Moses Renner (1824-1880).

Abraham Renner war als Handelsmann im Bereich des Kehdinger und Hadelner Landes tätig – und im Laufe der Zeit so erfolgreich, dass er alsbald zu einem gewissen Wohlstand gelangte. Nach seinem Tode 1837 konnte er den Kindern einigen Besitz vererben. Der jüdischen Religion blieb er zeitlebens verbunden und übte sie als sog. Thoragelehrter aus.

Die Kinder Ester und Elias Renner konvertierten in den 1840er Jahren zum Christentum, während die anderen Kinder - Tochter Liebe Renner, die Söhne Hein und Moses Renner - der jüdischen Religionsgemeinschaft verbunden blieben.

Die Söhne Elias (späterer Christ August Renner), Hein und Moses Renner waren in der Region Oederquart dauerhaft ansässig. Die Töchter Ester (spätere Christin Anna Charlotte Dorothea) und Liebe Renner verließen den Ort, zogen mit ihren Familien fort und lebten zuletzt Hamburg. 

Die Nachfahren der Obengenannten blieben teils in der Region wohnen, teils zogen sie nach Hamburg, teils wanderten sie nach Nord- und Südamerika aus. 

Die letzte Ruhestätte für die jüdischen Familienmitglieder aus der Region Oederquart war der Jüdische Friedhof Wingst (nahe Cadenberge); Grabsteine der Familie sind nicht mehr vorhanden. Die christlichen Familienmitglieder wurden in den jeweiligen Kirchengemeinden begraben. 

Die jüdisch-christlichen Mitglieder der Familie Renner haben länger als ein Jahrhundert in der Region Oederquart gelebt, gearbeitet, zusammen gefeiert, lange Zeit Freud und Leid geteilt – sie waren keine Fremden, sie waren Bürger und Mitbewohner. 

Erst mit Beginn des 20. Jahrhunderts erreichten die Auswirkungen der "Naziherrschaft" auch Oederquart und hatten zur Folge, dass die jüdischen Mitbürger vor Ort öffentlich Ressentiments erfuhren, missachtet wurden und Repressalien ausgesetzt waren. Auch in Oederquart gab es die sog. Reichsprogromnacht mit der Folge, dass der jüdischen Mitbürgerin Selma Bernau, geb. Renner, die Fensterscheiben eingeworfen, zeitweise keine Waren mehr verkauft wurden, die beiden Kinder - Ernst und Eduard Renner - nicht mehr die Schule besuchen durften. Auch diese Seite gehört zur Geschichte Oederquarts – und sie ist kein Ruhmesblatt, darf aber auch nicht verschwiegen werden. 

Selma Bernau verkaufte ihren Besitz in Oederquart (zwangsläufig) und zog mit ihren beiden Kindern nach Hamburg, wo sie noch einige Zeit lebte, bis auch diese Familie 1942 deportiert und im Konzentrationslager Auschwitz ermordet wurde. 

In Hamburg-Eimsbüttel, Osterstr. 101, sind für die Familie Bernau-Renner "Stolpersteine" verlegt worden.

Aber auch die Gemeinde Krummendeich muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden, denn im Ort lebte die Familie Julius Renner (1864-1913) mit ihren neun Kindern. Die Eltern starben Anfang des 20. Jh., einige von den Kindern verstarben frühzeitig, wanderten aus oder lebten und arbeiteten in Hamburg – wie die Töchter Emma, Auguste und Clara Renner.

Diese Töchter erreichte der Nazi-Terror in Hamburg, wobei besonders die verheiratete Emma Maier, geb. Renner, mit ihrer Familie einen hohen "Blutzoll" zahlen musste:

Eine Tochter wurde in der sog. "Tötungsanstalt" in Brandenburg/Havel im Jahr 1940 ermordet, die anderen vier Familienmitglieder wurden 1941 deportiert und in den Vernichtungslagern von Minsk (Maly Trostinez) umgebracht. Für Emma, Josef, Therese, Hugo und Ella Maier sind „Stolpersteine“ in Hamburg, Eimsbütteler Chaussee 41-45, verlegt worden. 

Auguste und Clara Renner wurden ebenfalls im Jahr 1941 deportiert und in den Vernichtungslagern von Minsk (Maly Trostinez) ermordet.

Nachfahren von Abraham Renner

Ester Renner (spätere Christin)

1814 geboren in Oederquart
1841 Taufe in Oederquart, gen. Anna Charlotte Dorothea
1841 Heirat in Osten/Oste mit Johann Steffens
3 Kinder (Hermann, Johanne, Anna)
1895 Tod in Hamburg-Altona, Evangelischer Friedhof

Elias Renner (später Christ)

1816 geboren in Oederquart
1838 Taufe in Oederquart, genannt August
1838 Heirat in Oederquart mit Anna Margarethe Peters
10 Kinder (Wilhelm, Paul, Anna C., August, Anna M.,
Charlotte, Catharina, Heinrich, Catharina, Albert)
1898 Tod in Krummendeich, Evangelischer Friedhof

Liebe (Louise) Renner

1819 geboren in Oederquart
Heirat mit Johann D. H. Kreutz
1911 Tod in Hamburg, Jüdischer Friedhof Ohlsdorf

Hein Renner

1823 geboren in Oederquart
1849 Heirat in Krakow/Mecklenburg mit Male Ehrenberg
(2. Ehe mit Ida Ehrenberg im Jahr 1875)
8 Kinder (Albert, Regine, Eduard, Rudolph, NN, Theodor, Röschen, Julius)
1881 Tod in Oederquart, Jüdischer Friedhof Wingst

Moses Renner

1824 geboren in Oederquart
1850 Heirat in Osten/Oste mit Louise Philipsohn
(2. Ehe mit Dorothea Aron im Jahr 1858)
Insgesamt 5 Kinder (Therese, Josefine, Ester, Zipora, Rosa)
1880 Tod in Oederquart, Jüdischer Friedhof Wingst

Diese Familiengeschichte sollte uns eine Mahnung sein –
und unseren jüdischen Mitbürgerinnen und -bürgern zeigen,
dass sie in unserer Mitte immer willkommen sind!

Aufgeschrieben von Hans Tegtmeier, Lehrte